Vitamin C und Atemwegsinfektionen

11.09.2020

Wichtiger Nährstoff für das Abwehrsystem

Einer der bekanntesten Nährstoffe ist Vitamin C (Ascorbinsäure). Dieser Nährstoff ist für das gute Funktionieren des Immunsystems unentbehrlich. Unser Körper kann selbst kein Vitamin C synthetisieren und ist zur Deckung seines Bedarfs vollständig auf unsere Nahrung angewiesen. Aufgrund der vielfältigen Funktionen von Vitamin C äußert sich ein Mangel in einer Vielzahl von Symptomen. Das bekannteste davon ist der Skorbut. Bei dieser uralten Mangelerkrankung sind besonders Gewebe mit einem hohen Kollagengehalt wie Bindegewebe, Knochen, Knorpel und Blutgefäße betroffen. Dies ist auf die wichtige Rolle von Vitamin C (als Co-Faktor von Enzymen) bei der Kollagensynthese zurückzuführen.

 

Verschiedene Stadien des Mangels

Skorbut ist bereits ein fortgeschrittenes Stadium eines Vitamin-C-Mangels. Nach Angaben des Schweizer Wissenschaftlers und Professors Georg Brubacher gibt es sechs Stadien des Vitamin-C-Mangels. Im sechsten und letzten Stadium sind die Schäden irreversibel und der Tod unausweichlich.[1] Skorbut ist das fünfte und vorletzte Stadium und kommt in der westlichen Gesellschaft kaum noch vor, die Stadien eins bis vier sind dagegen umso häufiger.[2] Der Mensch benötigt für eine optimale Gesundheit viel größere Mengen an Vitamin C als die, die zur Vermeidung von Skorbut erforderlich sind. Es gibt Hinweise darauf, dass der Körper kurzfristig nur dadurch überleben kann, dass er weniger wichtigen Organen knappe Mikronährstoffe entzieht. Auf lange Sicht können unzureichende Mengen in den ersten vier Stadien degenerativen Erkrankungen Vorschub leisten.[3]

 

Stärkung der Widerstandskraft

In der heutigen Zeit, in der die Unterstützung des Immunsystems und der Kampf gegen Infektionen der Atemwege von großer Bedeutung sind, kommt Vitamin C eine herausragende Rolle zu. In den letzten Jahrzehnten hat die Forschung zur Rolle der Ascorbinsäure bei der Unterstützung des Immunsystems und der Bekämpfung von Infektionen (mit Bakterien, Viren oder Parasiten) enorm zugenommen. Von den 56.000 wissenschaftlichen Publikationen über Ascorbinsäure in der biomedizinischen Datenbank PubMed widmen sich 2.500 der Bedeutung von Vitamin C für das Immunsystem und weitere mehr als 2.600 dem Zusammenhang mit Infektionen.

Ein Vitamin-C-Mangel führt neben Skorbut zu einer verminderten Immunität und einer erhöhten Anfälligkeit für Infektionen, u. a. der Atemwege. Wie wichtig Vitamin C für das Immunsystem ist, geht daraus hervor, dass in den weißen Blutkörperchen eine 10- bis 100-fach höhere Vitamin-C-Konzentration zu finden ist als im Blutplasma.[4] Außerdem haben Infektionen wie z. B. eine Erkältung oder Lungenentzündung – als Folge der Entzündung und des erhöhten Stoffwechsels – einen signifikanten Einfluss auf die Vitamin-C-Konzentration im Plasma, in den weißen Blutkörperchen und im Urin. Eine prophylaktische Vorgehensweise (Prävention) gegen Infektionen verlangt eine orale Vitamin-C-Zufuhr, die zumindest ausreichende, wenn nicht sogar gesättigte Plasmaspiegel liefert, die die Konzentrationen in Zellen und Geweben optimieren.[2]

 

Auswirkungen auf das Immunsystem

Die genauen immunologischen Mechanismen, die der Wirkung von Vitamin C bei Atemwegsinfektionen zugrunde liegen, sind bis heute nicht vollständig geklärt. Allerdings hat man einen gewissen Einblick in den Beitrag zu verschiedenen zellulären Funktionen sowohl des angeborenen als auch des adaptiven Immunsystems. Auf biochemischer und physiologischer Ebene haben Dutzende von Untersuchungen gezeigt, dass Vitamin C eine positive Wirkung auf weiße Blutkörperchen (Leukozyten, darunter T- und B-Lymphozyten) ausübt. Dabei wurden Verbesserungen hinsichtlich der Aktivität, Phagozytose (Unschädlichmachen von Krankheitserregern, indem diese umschlossen und aufgenommen werden), Proliferation (Zellbildung und -verteilung) und Chemotaxis (Migration von Leukozyten aus dem Blut in das infizierte Gewebe) beobachtet. Wenn sich die Migration verbessert, können Krankheitserreger schneller unschädlich gemacht werden. Darüber hinaus hemmt Ascorbinsäure die Replikation von Viren und steigert die Bildung von Interferon, einem natürlichen Protein, das das Abwehrsystem gegen Virusinfektionen aktiviert. Auch wurde festgestellt, dass Vitamin C die Synthese von Immunglobulinen (Antikörpern) verbessert und die Aktivität von natürlichen Killerzellen (große Lymphozyten, die zum angeborenen, unspezifischen Immunsystem gehören) stimuliert.[5-7] Ascorbinsäure erhöht die Produktion von Cytokinen – Molekülen, die wichtige Rezeptoren für das Abwehrsystem aktivieren.[8] Eine wichtige Präventivfunktion von Vitamin C ist die Unterstützung der Barrierefunktion des Epithels (dünne Zellschicht, die die Haut, Hohlorgane, Drüsen und alle Durchgangswege des Atmungs-, Verdauungs-, Fortpflanzungs- und Harnsystems bedeckt) gegen Krankheitserreger.

 

Vitamin C und Erkältungen

Die am umfassendsten untersuchte Infektion beim Menschen ist die Erkältung (laufende Nase, Halsschmerzen und Husten, mit und ohne Fieber). Mehrere Wissenschaftler haben festgestellt, dass der Vitamin-C-Gehalt in den Leukozyten bei einer Erkältung oder Lungenentzündung sinkt. Nach der Genesung dauert es eine Weile, bis das alte Niveau wieder erreicht ist.[9] Diese Beobachtung deutet darauf hin, dass die Verabreichung von Vitamin C bei vielen Patienten mit Infektionen eine positive Wirkung haben kann.

 

Ein Cochrane-Review aus dem Jahre 2013 nahm 29 placebokontrollierte Studien mit Vitamin C zur Vorbeugung und Behandlung von Erkältungen unter die Lupe. Aus diesem Review ergab sich, dass Vitamin C die Dauer einer Erkältung bei Erwachsenen um 8% und bei Kindern um 14% reduziert. Bei Kindern verkürzte eine Dosis von bis zu 2 g pro Tag die Dauer sogar um 18%. Kinder reagieren auf Vitamin C besser als Erwachsene, schlossen die Forscher. Darüber hinaus verringert eine regelmäßige Supplementierung mit Vitamin C die Schwere der Erkältung. In fünf Studien mit 598 Teilnehmern, die kurzzeitig extremen körperlichen Belastungen (darunter Marathonläufer und Skiläufer) ausgesetzt wurden, halbierte Vitamin C das Erkältungsrisiko.[10]

 

Hohe Dosierungen

Die Cochrane-Forscher wiesen darauf hin, dass es zu wenig Studien zur hochdosierten Vitamin-C-Supplementierung gibt. Sie fanden aber eine große Studie mit Erwachsenen, nach der sich eine therapeutische Tagesdosis von 8 g bei Einsetzen der Symptome als vorteilhaft erwies. Die Supplementierung mit 8 g hatte eine größere Wirkung als die mit 4 g, obwohl beide Dosierungen positive Auswirkungen hatten: Der Anteil „kurzer Erkältungen“, die nur einen Tag andauerten, war in der Gruppe mit 8 g/Tag (46%; 222 von 483) deutlich größer als in der Gruppe mit 4 g/Tag (39%; 164 von 417).[10]

In vielen randomisierten Studien wurden recht niedrige Dosierungen von 0,2 bis 1 g eingesetzt. In einigen Studien wurde der Placebogruppe außerdem aus ethischen Gründen – man wollte den Patienten dieses essentielle Vitamin nicht vorenthalten – dennoch eine gewisse Menge Vitamin C (bis 70 mg) verabreicht, was eventuelle Unterschiede weniger deutlich machte. Einige Vitamin-C-Experten sind der Meinung, dass der therapeutische Wert von Vitamin C dadurch unterschätzt wird. Hickey und Roberts empfehlen zur Krankheitsprävention eine Dosis von mindestens 2,5 g Vitamin C pro Tag.[11]

Auch andere Studien haben erwiesen, dass höhere Dosen wichtig sind. Zum Beispiel zeigte eine Studie, dass 6 g Vitamin C pro Tag im Vergleich zu einer Dosis von 3 g pro Tag Erkältungen bei Erwachsenen auf die Hälfte verkürzten.[12] Dasselbe gilt für Kinder. Eine Dosis von 2 g pro Tag schien Erkältungen in dieser gefährdeten Gruppe doppelt so schnell zu beenden wie eine Dosis von 1 g pro Tag.[13]

Eine epidemiologische Studie verglich die Ergebnisse der Anwendung von Vitamin C und der Anwendung von Schmerzmitteln und Dekongestiva (abschwellend wirkenden Nasentropfen oder -sprays) bei Grippe. Die Supplementierung mit 1000 mg Vitamin C pro Stunde während der ersten 6 Stunden und danach dreimal pro Tag reduzierte die berichteten Grippe- und Erkältungssymptome in der Testgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe um 85%.[14]

 

Infektionen der unteren Atemwege

Vitamin C hat auch bei Lungenentzündungen eine positive Wirkung, sowohl prophylaktisch als auch therapeutisch. Aus zwei verschiedenen Studien mit Kontrollgruppe ergab sich, dass Vitamin C eine Lungenentzündung verhindern kann. Und wenn Patienten bereits eine Lungenentzündung haben, wirkt sich Vitamin C günstig auf das Krankheitsbild aus.[15] In einer britischen randomisierten Studie mit älteren Patienten, die an Lungenentzündung oder Bronchitis litten, führte die Supplementierung mit Vitamin C bei allen Patienten zu einer Abnahme der Atmungsprobleme. Wichtiger ist jedoch, dass von den sechs Todesfällen während der Studie – alle aufgrund von Atemwegsinfektionen – fünf in der Placebogruppe auftraten. In der Vitamin-C-Gruppe starb nur eine Person.[16]

 

Nebenwirkungen

In der Literatur wird über keine unerwünschten Wirkungen von Ascorbinsäure berichtet. Auch bei hohen Dosen ist die Anwendung sicher. Der Sättigungspunkt des Gewebes wird durch dünnen Stuhlgang angezeigt. Dieser verschwindet jedoch wieder schnell, wenn die Dosierung nach unten angepasst wird.

 

Literaturverweise

1. Brubacher G. Was versteht man unter subklinischem Vitaminmangel? In: Mangelernährung in Mitteleuropa? Kongress 1. und 2. Oktober 1981. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart (1982) S. 54.

2. Carr AC, Maggini S. Vitamin C and immune function. Nutrients 2017;9(11).

3. Ames BN. Low micronutrient intake may accelerate the degenerative diseases of aging through allocation of scarce micronutrients by triage. PNAS 2006;103:17589-94.

4. Strohle A, Wolters M, Hahn A. Micronutrients at the interface between inflammation and infection–ascorbic acid and calciferol: part 1, general overview with a focus on ascorbic acid. Inflamm Allergy Drug Targets 2011;10:54–63.

5. Heuser G, Vojdani A. Enhancement of natural killer cell activity and T and B cell function by buffered vitamin C in patients exposed to toxic chemicals: the role of protein kinase-C. Immunopharmacol Immunotoxicol 1997;19:291–312.

6. Thomas WR, Holt PG. Vitamin C and immunity: an assessment of the evidence. Clin Experim Immunology 1978;32:370-9.

7. Webb AL, Villamor E. Effects of antioxidant and non-antioxidant vitamin supplementation on immune function. Nutrition Reviews 2007;65:181-217

8. Härtel C, Strunk T, Bucsky P, et al. Effects of vitamin C on intracytoplasmic cytokine production in human whole blood monocytes and lymphocytes. Cytokine 2004;27:101-6.

9. Hume R, Weyers E. Changes in leucocyte ascorbic acid during the common cold. Scott. Med. J 1973;18:3–7.

10. Hemilä H, Chalker E. Vitamin C for preventing and treating the common cold. Cochrane Database Syst Rev 2013;(1):CD00098.

11. Hickey S, Roberts HJ. Ascorbate: The science of vitamin C. Napa (California): Lulu Press; 2004. 264 pp.

12. Karlowski TR, Chalmers TC, Frenkel LD, Kapikian AZ, Lewis TL, Lynch JM. Ascorbic acid for the common cold: a prophylactic and therapeutic trial. JAMA. 1975;231:1038-42.

13. Coulehan JL, Kapner L, Eberhard S, et al. Vitamin C and upper respiratory illness in Navaho children: preliminary observations (1974). Ann N Y Acad Sci. 1975;258:513-22.

14. Gorton HC, Jarvis K. The effectiveness of vitamin C in preventing and relieving the symptoms of virus-induced respiratory infections. J Manipulative Physiol Ther. 1999;22:530-3.

15. Hemilä H. Vitamin C and Infections. Nutrients 2017;9:339.

16. Hunt C, Chakravorty NK, Annan G, et al. The clinical effects of vitamin C supplementation in elderly hospitalised patients with acute respiratory infections. Int J Vitam Nutr Res 1994;64:212-19.

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