Bitter ist besser

Neues CYP1B1-Enzym
Anfang der 1990er Jahre entdeckte Professor Dan Burke mit seiner Forschungsgruppe an der Universität Aberdeen in Tumorzellen einen neuen Typ Cytochrom P450- Enzym, das CYP1B1. Cytochrom P450-Enzyme des Typs CYP1, CYP2, CYP3 sorgen im Körper für die Entgiftung körpereigener Metabolite und körperfremder toxischer Stoffe (Xenobiotika wie Karzinogene, pflanzliche Toxine und Antikrebsmittel). Sie sind wegen der in der Leber stattfindenden Phase 1 des Fremdstoffmetabolismus hauptsächlich dort zu finden und kommen daneben in anderen Organen wie Dünndarm, Nieren und Lunge vor. Andere Cytochrom P450-Enzyme (Typ CYP11, CYP17, CYP19 und CYP21) sind an der Synthese von Stoffen wie Steroiden, Fettsäuren und Prostaglandinen beteiligt, die bei der Zellregulierung und Zellsignalisierung eine Rolle spielen.[1]Enzym nur in Tumorzellen

Präkursoren durch CYP1B1 aktiviert
Die Entdeckung des CYP1B1-Proteins hat die Forschung über natürliche und synthetische Antikrebsmittel (Zytostatika) eingeleitet, die von CYP1B1 aktiviert werden. Präkursoren oder Prodrogen sind an sich nicht oder kaum giftig, werden aber durch das CYP1B1-Enzym zu giftigen Substanzen umgesetzt, die zur Apoptose (dem programmierten Zelltod) der Tumorzelle führen.[1,2,6,16] Umgekehrt scheint es aber auch Krebsmedikamente zu geben, die von CYP1B1 gerade inaktiviert und dadurch unwirksam werden (Tumorresistenz). Dies ist u.a. der Fall bei Docetaxel, Ellipticin, Mitoxantron und Tamoxifen.[17] Die heute gebräuchlichen Zytostatika zeigen schwere Nebenwirkungen, da sie nicht nur für Krebszellen giftig sind, sondern auch gesunde Zellen und Gewebe angreifen. Das Auffinden sicherer, im besten Falle natürlicher Präkursoren oder Prodrogen, die nur in der Tumorzelle aktiviert werden, stellt einen großen wissenschaftlichen Fortschritt in der Krebsbekämpfung dar.[16]Von der synthetischen zur natürlichen Grundlage
Nach seiner Berufung an die Montfort University in Leicester kam Professor Burke mit Gerry Potter, dem Professor für klinische Chemie, in Kontakt. Potter ist Experte für die Entwicklung von Antikrebsmitteln. Im Anschluss an die Entdeckung von CYP1B1 entwickelte er die erste synthetische Prodroge (DMU-135), die durch CYP1B1 in einen wirksamen Tyrosinkinasehemmer umgewandelt wird, der Tumorzellen effektiv zum Absterben bringt.[8] Der aktive Bestandteil in DMU-135 ist eine Stilbenstruktur. Stilbene sind organische bioaktive Stoffe mit 1,2-Diphenylethylen als funktioneller Gruppe. Potter und Burke fragten sich, ob vielleicht auch in der Nahrung ähnliche Verbindungen vorkommen, die von CYP1B1 zu zytotoxischen Stoffen aktiviert werden. Denn schätzungsweise entstehen im Körper täglich 1000 Krebszellen. Zumeist werden sie schnell und effizient abgebaut und führen nicht zur Tumorbildung. Die Frage, weshalb Menschen Krebs bekommen, sollte also besser umgekehrt gestellt werden: Weshalb bekommen Menschen keinen Krebs? Vielleicht repräsentiert das CYP1B1-Enzym einen im Verlauf der Evolution entstandenen Selbstzerstörungsmechanismus in Krebszellen (CYP-Enzyme sind so alt wie die Menschheit), um Zellen, die aus dem Ruder gelaufen sind, selektiv aus dem Weg räumen zu können. Wenn zutrifft, ist es eine logische Annahme, dass das CYP1B1-Enzym Bestandteile aus der Nahrung verwendet, um die Tumorzelle zur Apoptose zu zwingen und sie so ihrer Gefährlichkeit zu berauben. Dies kann eine der Möglichkeiten sein, wie Nahrungsmittel vor Krebs schützen.Resveratrol – Substrat für CYP1B1

Krebshemmende Salvestrole
Die englischen Forscher haben inzwischen über zwanzig Phytonutrienten (Bioflavonoide, Carboxylsäuren, Stilbene, Stilbenoide) in Gemüsen, Gewürzkräutern und Obst identifiziert, denen gemeinsam ist, dass sie nach Aktivierung durch CYP1B1 in Krebszellen die Apoptose induzieren. Sie bilden eine Gruppe biochemisch nicht verwandter Stoffe mit einer identischen Teilstruktur, dem so genannten Pharmakophor, das für die pharmakologische Wirksamkeit verantwortlich ist.[14] Die Forscher haben dieser Gruppe von Phytonutrienten den Namen Salvestrole gegeben (salve kommt von salvere, was retten bedeutet, strol ist von Resveratrol abgeleitet, dem ersten Salvestrol), wollen aber noch nicht preisgeben, um welche Phytonutrienten es sich genau handelt. Die oft bitter oder scharf schmeckenden Salvestrole gehören in jedem Fall zu den Phytoalexinen, Stoffen also, die von Pflanzen zum Schutz vor Schimmelpilzen, Bakterien, Viren, Insekten und UV-Licht produziert werden.[13] Diese Phytoalexine, die das Abwehrsystem der Pflanze darstellen, sind vornehmlich in den Schalen von Früchten, in Samen, Blättern und den äußeren Bereichen der Wurzeln zu finden: den Teilen der Pflanze, die mit dem Stressor in Berührung kommen. Je nachdem, ob eine Pflanze mit dem Stressor in Berührung kommt, enthält sie eine kleine (basale) oder größere Menge Phytoalexine. Salvestrole unterscheiden sich untereinander hinsichtlich ihrer biologischen Aktivität, biologischen Verfügbarkeit, Halbwertszeit und Wasser- bzw. Fettlöslichkeit. Sie sind natürlichen Ursprungs, für gesunde Zellen nicht toxisch und kommen in Nahrungsmitteln vor, die zur Krebsvorbeugung beitragen. Viele traditionelle Heilkräuter haben einen hohen Gehalt an Salvestrolen. Bis jetzt wurde in In-vitro-Untersuchungen nachgewiesen, dass Salvestrole in Tumorzellen, die aus Gehirn-, Brust- , Prostata-, Mastdarm-, Eierstock-, Hoden- und Lungenkrebsgeschwüren stammen, eine Apoptose induzieren. Die Ergebnisse der ergänzenden Behandlung von Krebspatienten mit konzentrierten, salvestrolhaltigen Extrakten sind ermutigend.Nur wenig Salvestrole in der heutigen Nahrung

Vermehrte Zufuhr von Salvestrolen
Um einen besseren Schutz vor Krebserkrankungen zu erreichen, ist es ratsam, dem Körper durch den Verzehr unverarbeiteter, biologisch angebauter Gemüse, Früchte und Gewürzkräuter mehr Salvestrole zuzuführen. In England läuft ein Projekt, in dem nach Gemüse- und Obstsorten gesucht wird, die von Natur aus mehr Salvestrole enthalten. Gemüse werden am besten durch Dampfgaren oder im Wok zubereitet; Salvestrole sind recht hitzestabil, werden aber vom Kochwasser ausgelaugt. Darüberhinaus können Konzentrate aus biologisch angebautem Gemüse oder Obst verwendet werden, das aufgrund seines hohen Salvestrolgehalts selektiert wurde.[15] Die Nahrungsergänzung mit Salvestrolen (kombiniert mit einem Multivitaminpräparat und den Synergisten Biotin, Niacin, Vitamin C, Magnesium und Selen) und vermehrte Sauerstoffaufnahme durch körperliche Bewegung liefern möglicherweise einen bedeutsamen Beitrag zur Genesung von Krebserkrankungen. Künftige (klinische) Untersuchungen müssen dies noch erweisen. Die Entdeckung der Salvestrole ist in jedem Fall ein weiterer Grund, sich für biologisch angebaute, frische und unverarbeitete Nahrungsmittel zu entscheiden.Wichtige biologische Quellen für Salvestrole
Gemüse: Blattgemüse, Artischocken, Spargel, Brunnenkresse, Rauke, alle Kohlsorten, Paprika, Avocado, Sojabohnensprossen, Wildmöhren, Sellerie, Salatgurke, Spinat, Kürbis, Zucchini, Aubergine; Obst: rote Früchte, Oliven, Johannisbeeren, Weintrauben, Äpfel, Erdbeeren, Pflaumen, Feigen, Himbeeren, Mandarinen, Orangen, Maulbeeren, Birnen, Melonen, Ananas, Mango; Gewürzkräuter und Tees: Petersilie, Basilikum, Rosmarin, Thymian, Salbei, Minze, Löwenzahn, Rooibos, Wegerich, Hagebutte, Mariendistel, Weißdorn(beeren), Kamille, Odermennig, Zitronenverbene.Literatur
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